„Ein tieferes Verständnis für die Geschichte entwickeln“ – Studentische Exkursion nach Kortrijk und Lichtervelde

Warum waren Belgier_innen in der NS-Zeit in der Strafanstalt Wolfenbüttel inhaftiert oder wurden sogar hingerichtet? Erhielten sie oder ihre Angehörigen danach Entschädigung und was bedeutet das für sie bis heute? Wie wird an die Opfer der NS-Justiz gedacht und was sagt uns das über die belgische Erinnerungskultur? Diese und viele weitere Fragen standen im Mittelpunkt unserer Exkursion nach Belgien, die unser Projektteam vom 4. bis 7. September mit unserem Kooperationspartner Dr. Thomas Kubetzky und 13 Studierenden der TU Braunschweig durchgeführt hat.

Stadtführung durch Kortrijk

„Es ist notwendig, auch über die Justizverurteilten aus Westeuropa ein größeres Bewusstsein aufzubauen und deren Bemühungen um eine Entschädigung anzuerkennen“, so Paula Bast, eine der teilnehmenden Studentinnen. Besonders interessant fand sie den Austausch mit den belgischen Studierenden, die uns in Kortrijk zusammen mit Benedict Wydooghe von der Hogeschool VIVES herzlich in Empfang genommen haben.

Workshop zu Entschädigungsvorgängen

Zunächst setzten sich die Studierenden intensiv mit belgischen Entschädigungsregelungen sowie vier Biografien von in Wolfenbüttel inhaftierten Belgiern auseinander und erprobten erste, im Projekt entwickelte Bildungsmaterialien. Unter den Biografien befanden sich zwei Mitglieder der Lichtervelde-Gruppe, Eugène Callewaert und Omer Vermandele, die in Wolfenbüttel aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Widerstandsorganisation „Weiße Brigade“ im Juni 1944 hingerichtet wurden. Albert Vandewalle aus Gits war wegen Abhörens von verbotenen Rundfunksendern in Wolfenbüttel inhaftiert und verstarb kurz nach der Befreiung an Tuberkulose.

Diese inhaltliche Arbeit an Einzelfällen bereitete die Studierenden auch auf den Nachmittag vor, an dem Marijke Callewaert, eine Enkelin von Eugène Callewaert, und Dylan Casteleyn, Nachfahre von Albert Vandewalle, zu einem gemeinsamen Gespräch kamen. Dylan Casteleyn recherchierte intensiv zum Schicksal und Verbleib des Leichnams Albert Vandewalles, der bis in die 2010er Jahre unklar war.

Angehörigengespräch mit Marijke Callewaert und Dylan Casteleyn

Am dritten Tag fuhren die Studierenden bei einer Tagesexkursion nach Lichtervelde. Betreut von Benedict Wydooghe und auf Grundlage der Projektergebnisse der belgischen Studierenden erkundeten sie die historischen Orte. Sie erhielten eindrückliche Einblicke, was die Geschichte der „Lichtervelde-Gruppe“ für den belgischen Ort auch heute noch bedeutet. 

Gemeinschaftsgrab der Lichtervelde-Gruppe
Gemeinschaftgrab der Lichtervelde-Gruppe

Insgesamt war das Resümee aller Beteiligten sehr positiv: „Es war eine sehr interessante und lehrreiche Exkursion, welche vom Austausch untereinander geprägt war. Besonders die Zeitzeugengespräche waren sehr aufschlussreich und es konnte ein tieferes Verständnis gebildet werden. Es zeigt einem, dass es wichtig ist, weiter zu recherchieren und zu erforschen, da das Geschehen und die betroffenen Opfer nicht in Vergessenheit geraten dürfen,“ erläuterte die Teilnehmerin Vinoja Satkurunathan dem Projektteam.

Die Exkursionswoche war bereits der zweite internationale Studierendenaustausch, der im Rahmen unseres Projektes stattfand – bereits im Mai besuchten die belgischen Studierenden unsere Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.

Friederike Apelt und David Paul


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