Das Zuchthaus Brandenburg-Görden wurde am 27. April 1945 von der heranrückenden roten Armee befreit. Die Schicksale vieler Häftlinge aus dem Strafgefängnis Wolfenbüttel sind eng mit Brandenburg-Görden verknüpft, da im Zuge von Räumungstransporten angesichts der sich rapide nähernden Front Häftlinge mehrerer Gefängnisse (z.B. Strafgefängnis Wolfenbüttel, Gerichtsgefängnis Brieg, Untersuchungsgefängnis Halle a. d. Saale) Anfang April 1945 nach Brandenburg-Görden transportiert wurden (Quelle: ITS Bad Arolsen). Nachfolgend wird daher die Befreiung aus der Perspektive einiger Wolfenbütteler Häftlinge skizziert.
Am 8. April 1945 wurden etwa 200 Häftlinge aus Wolfenbüttel angesichts der nahenden amerikanischen Truppen – im wahrsten Sinne des Wortes in den letzten Zügen – ins Polizeigefängnis Magdeburg verbracht. Hierzu berichtete ein ehemaliger norwegischer Häftling in einem Radiointerview in London Ende Mai 1945:
„Aber am 8. April, da evakuierten wir aus Wolfenbüttel, denn da erwarteten sie die Amerikaner, die wollten am Nachmittag sie erreichen. Und [dann] kamen wir nach Magdeburg, nach dort wurde übrigens in so nem Munitionszug gefahren, also das war nicht gerade besonders angenehm.“
(Übersetzung aus dem Norwegischen. Auszug aus dem Interview mit den drei befreiten norwegischen Gefangenen Wilfred Jensenius, Finn Thøgersen und Emil Henriksen, Norwegischer Rundfunk, Nachrichten aus London, 29. Mai 1945. Quelle: Nationalbibliothek Oslo)
Von dort mussten sie am 11. April zunächst „zwölf Stunden, die ganze Nacht hindurch“ ca. 30km zu Fuß nach Burg marschieren und wurden dann per Zug zum Zuchthaus Brandenburg-Görden weitertransportiert, wo sie am 13. April 1945 ankamen.
Das Zuchthaus Brandenburg-Görden war zu diesem Zeitpunkt mit ca. 3.500 Gefangenen komplett überfüllt. Die Häftlinge litten unter Unterernährung und mangelnder medizinischer Versorgung. Unmittelbar vor der Befreiung flüchteten der Gefängnisdirektor und ein Teil des Personals. Die Guillotine, mit der bis zuletzt zum Tode verurteilte hingerichtet wurden, wurde in einem nahen See versenkt (Aus: Der 76. Online-Jahrestag der Befreiung in der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden 2021).
Der Norweger Wilfred Jensenius, der die Befreiung auch in seinen Zeichnungen festgehalten hat (siehe unten), beschrieb im bereits erwähnten Radiointerview die Befreiung folgendermaßen:
„Eines Tages kam ein riesiger russischer Panzer rauf und machte die Tore auf, und der Panzerkommandeur, er ging rein und stellte sich auf einen kaputten Glasschrank und hielt eine Rede auf Russisch, von der wir nichts verstanden, und die Tore wurden aufgeschlossen, und das war so ein Weinen und ein Jubel, unbeschreiblich.“
Laut Jensenius kamen er und andere norwegische Häftlinge zunächst zu einem Sammellager bei Kyritz und wurden dann mit britischen Kriegsgefangenen über Hildesheim und Brüssel nach London ausgeflogen.
Bereits einen Tag nach der Befreiung wurde das Gefängnis aufgrund der unklaren Frontenlage bis auf 300 kranke und schwache Häftlinge geräumt. Danach dient es der Sowjetischen Besatzungsmacht bis 1948 als Repatriierungslager. Bereits zum ersten Jahrestag der Befreiung 1946 trafen sich etwa 300 ehemalige politische Gefangene und Angehörige von Hinrichtungsopfern. (Aus: Der 76. Online-Jahrestag der Befreiung in der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden 2021).
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