Entschädigung: Projektmitarbeiter_innen tauschen sich auf Konfernz zu neuen Forschungserkenntnissen aus


Vom 29.03-31.03 fand in Heidelberg das Symposium Status quo and quo vadis? New Research on the Recognition and Compensation of Nazi Injustice in Comparative Perspective statt. Wir als Projektteam waren dort vertreten und stellten unser Forschungsvorhaben einem Fachpublikum vor. Für uns war es ein wichtiger Termin, um mit Kolleg_innen ins Gespräch zu kommen, die auch zu Entschädigung und Restitution forschen. Die Tagung zeigte, wie groß der Forschungsbedarf zu diesem Thema nach wie vor ist und stellte gleichzeitig  innovative Forschungsansätze dar, um dieses bislang wenig beleuchteten Kapitel deutscher und europäischer Nachkriegsgeschichte zu bearbeiten. Die aktuelle Forschung zu dieser Thematik beschäftigt sich dabei mit unterschiedlichsten bislang vernachlässigten Opfergruppen. Als Schwerpunkte stellten sich auf der Tagung Sinti und Roma, vom NS als sogenannte „Asoziale“ diffamierte, Zwangssterilisierte und Betroffene von medizinischen Experimenten sowie die von uns fokussierten Strafgefangenen heraus.

Die Hochschule für jüdische Studien Heidelberg, Veranstaltungsort des Symposiums

Ein Aspekt vieler Forschungsvorhaben, die auf dem Symposium vorgestellt wurden, kann unter dem Begriff Wiedergutmachung der Wiedergutmachung beschrieben werden. Denn die Erforschung von Entschädigung und Restitution erfordert die Anerkennung des Unrechts, welche viele Entschädigungsregelungen darstellten und bis heute darstellen. So sprach Prof. Dr. Constantin Goschler, Keynote Speaker des Symposiums, eine Mahnung an Historiker_innen aus: Diese sollten nicht wieder in dem Pathos der Nüchternheit verfallen, sondern den Angehörigen und Betroffenen Gehör schenken.

Interessante Befunde, die das Projektteam beispielsweise bei den ersten Auswertungen von Entschädigungsakten im Niedersächsischen Landesarchiv Abteilung Wolfenbüttel machte, wurden auch durch die Befunde anderer Historiker_innen bestätigt. So war es in der direkten Nachkriegszeit für bestimmte Verfolgtengruppen (wie z.B. Zwangssterilisierten) leichter, durch sogenannte Kreissonderhilfsausschüsse (KSHA) als Verfolgte anerkannt zu werden. Unter dem 1953 eingeführten BEG entzogen die Behörden diesen Status wieder. Dies kann einerseits als Folge einer Bürokratisierung der Entschädigung gedeutet werden, die zu strikteren Rastern und weniger Handlungsspielräumen führte. Andererseits spielte auch das gesellschaftliche Klima sowie der schwindende Einfluss der Besatzungsmächte in den für die Antragsteller*innen herausfordernder werdenden Entschädigungsverfahren eine Rolle.

Publikationn der Gedenkstätte sowie die Projekt-Postkarten waren auch vertreten

Ein interessanter Aspekt auf der Tagung war dabei das Potenzial von Entschädigungsakten, die vor allem im Rahmen des BEG entstanden sind. Diese Akten, die oft auch schon die Entschädigungsvorgänge für zonenspezifischen Entschädigungsregelungen der direkten Nachkriegszeit enthalten, umfassen oft viele hundert Dokumente. Das Potenzial dieser Entschädigungsakten liegt in den Zeugnissen und Selbstbeschreibungen der circa zwei Millionen Entschädigungsverfahren. Oft mussten Antragsteller_innen die Hintergründe und den Ablauf ihrer Verfolgung und Inhaftierung eingehend darstellen und teilweise auch belegen.  Sie sind daher ein wichtiges Gut für kommende Forschungsprojekte und Generationen ‒ eine Tatsache, die sich auch in der Entscheidung des Bundesarchivs widerspiegelt, alle Entschädigungsakten im Themenportal Wiedergutmachung zu erhalten. Im Regelfall werden von massenhaft gleichförmigen Einzelsachakten, welche die Entschädigungsakten darstellen, nur 10-20 Prozent inventarisiert.

Besonders freuen wir uns als Projektteam über die neu entstandenen Kontakte und den weiteren Austausch mit den Kolleg_innen weiterer Forschungseinrichtungen und  Archiven vor allem in Deutschland und die Möglichkeit, unser Projekt dadurch gezielt in den aktuellen Forschungskontext einbetten zu können.  

David Paul



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